Der Autor mit dem wohlklingenden Namen Gregorio Ortega Coto wurde 1946 als Sohn spanischer Auswanderer in Marokko geboren, wuchs dort auf und kam mit zwölf Jahren nach Spanien. Durch Zufälle gelangte er über die Kanarischen Inseln und England nach Berlin, wo er seit 1973 lebt und als Sozialarbeiter tätig ist. Er verfasst seine Geschichten sowohl auf Deutsch als auch auf Spanisch.

In diesem Erzählband versammelt der Autor einige feinsinnige und meist recht kurze Geschichten, die ein überraschendes Ende haben. Die Figuren sind sensibel gezeichnet, sie sind ungewöhnlich, meist mutig, manchmal verdrängen sie aber auch die Wahrheit. Sie sind verliebte Matrosen, verhasste Transsexuelle, stolze Kinder, die sich gegen die ganze Familie durchsetzen, lächerliche Außenseiter, humorvolle Intellektuelle, harmlose Männer, die unschuldig leiden müssen, eine Transe, die zwanghaft auf Hosenschlitze von Männern schaut.

„Der Sandkornzähler“ ist eine Erzählung, die die alte Frage erneut aufwirft: Wie tolerant sind homosexuelle Männer untereinander? Die Tunte Lirio sagt über ihn, und meint dabei Agustins Ex-Lover:

„Er hasste mich einfach. ´Sie ist eine blasierte Tunte. Man kann sehr gay sein, aber muss man es so ausposaunen und auf dem Teller präsentieren? Man kann homosexuell sein und dabei muy macho. Ich kann das tuntige Gehabe dieser degenerierten Schwuchtel nicht ausstehen. Sie ist mir zuwider´, keifte diese Sau in Agustins Ohren und meinte natürlich mich.“

Ich fühle mich an eine kürzliche Unterhaltung mit einem Freund von mir erinnert, den ich verklemmt nennen möchte, der viele Vorbehalte gegenüber Schwule hat, obwohl er dies selbst ist. Ich erinnere mich aber auch an Diskussionen in der Redaktion über das Thema Adoption unter schwulen Männern und wie einer unserer Crew selbst Vorurteile äußerte und damit zeigte, wie intolerant wir schwulen Männer selbst sind. Es ist also noch heute ein Thema. Manchmal wundern wir uns darüber, dass es noch Menschen gibt, die ein Problem mit Homosexuellen haben, vergessen aber darauf, dass wir selbst noch ein Problem damit haben. Wie viele „harte Männer“ kennen wir, die „durch die Gegend poppen“, Toleranz von jedem um sich herum erwarten, aber dann auf Partys und Discobesuchen sich von „den Tunten“ distanzieren. So lange manche der Schwulen ihren Horizont nicht erweitern, und lernen, toleranter zu werden, dürfen wir uns auch nicht über Heterosexuelle mokieren, die noch im letzten Jahrhundert leben, denn im Grunde leben viele von uns auch genau dort. Auf diese Wunde legt Coto seinen Finger und drückt zu, subtil und fein.

In der Erzählung „Matinee“ schreibt er über einen jungen Cineasten, der plötzlich ganz andere Gründe hat, ins Kino zu gehen, nachdem er den Film „Der Tod in Venedig“ angeschaut hat. Zunächst besucht er regelmäßig das Cinema, um dort Kraft zu tanken.

„Kino erhöhte ungemein seinen Adrenalinspiegel und förderte überdies sein sonst lückenhaftes Gefühlsleben.“

Ich erinnere mich an meinen kläglichen Versuch, vor ein paar Wochen, den Film „Der Tod in Venedig“ auf Video anzuschauen, einem Meisterwerk von Visconti. Klar, auch ich fiel auf den Reiz dieses wunderschönen Tadzio herein, der der damaligen Definition von wunderschön entsprach, ein glattes, makelloses Äußeres, weiche, glatte, blasse Haut, lange blonde Haare, schmächtiger Körper, zarte Gesichtszüge, sehr knabenhaft, fast wie ein Engel. Aber dieser geschminkte, lethargische Aschenbach, machte mich genauso wahnsinnig, wie die psychedelische Musik, die enervierenden Landschaftsbilder, diese gnadenlose Trägheit und Apathie. Spannender ergeht es unserem Helden Santiago Ugarte, der einen wahren Höhepunkt erlebt im Kino, der dem verwirrten Pfarrer eine ungeahnte Flut in der Spendenkasse bereitet.

Manche der Geschichten sind nicht ganz jugendfrei, andere brutal und nichts für Zartbesaitete, aber allesamt haben sie einen Charme und eine Raffinesse, die Spaß macht. Es gelingt zwar nicht immer, den Leser zu überraschen, aber langweilig wird bei der Lektüre dieses Erzählbandes vermutlich niemanden.

Der Erzählband „Untaugliche Indianer“ von Gregorio Ortega Coto ist 2005 im MännerschwarmSkript Verlag erschienen, umfasst 119 Seiten und ist gebunden für sechzehn Euro im Fachhandel erhältlich.


radio sub, das schwul/lesbische Radiomagazin aus Frankfurt/Main

 
 

Geschichten so schön wie das Leben selbst, so schreibt sie Gregorio Ortega Coto in seinem Buch Untaugliche Indianer. Es vereint 16 Kurzgeschichten, die alle wirken, als hätte er sie selbst erlebt. Die Figuren seiner Geschichten sind Indianer der Neuzeit, die fast alle eines gemeinsam haben. Sie alle stehen mitten im Leben und sind doch Zuschauer. Ein kleiner unscheinbarer Moment ihres Seins wird so authentisch beschrieben, dass man denkt, die Person selbst zu kennen. Sie entscheiden selbst, ob sie an ihrem Schatten scheitern oder ihn überwinden. Erzählungen, die allesamt den Leser zum Nachdenken anregen und ihm klar machen, dass das Leben mehr ist als es zu sein scheint. Ein Buch, das jeder lesen sollte, der des Denkens nicht scheu ist.

 

Denny in Infoblatt der Initiative Rosa-Lila, Neubrandenburg, 2006

 
 

Die Geschichte beginnt in einem üppig ausgestatteten Traum und endet mit einem Blick auf den Hosenschlitz des Therapeuten. Ortega Cotos fantastische Erzählungen spielen zwischen Schlafen und Wachen, wenn die Wahrnehmung unsicher ist. Fantasie ist hier eine Kunst des überlebens. Der kleine Miguelito weigert sich, zur Kommunion die Jungsuniform zu tragen, und sehnt sich nach dem Kleid aus Tüll und Satin, das in der Truhe ruht. Ortega Cotos Protagonisten bestehen auf der Erfüllung ihrer Wünsche – und oft triumphieren sie. Glück und Gewalt liegen in diesen schönen Geschichten nur ein paar Sätze auseinander.


Reh, DU & ICH, Berlin, Oktober/November 2005

 
 

Wer nicht draufgehen will, braucht einen Traum. Gregorio Ortega Coto, in Berlin lebender Spanier, erzählt fantastische Geschichten, von Menschen, die für ihr Glück kämpfen. Seine Geschichten leben von außerordentlichen Momenten, in denen sich auf einen Schlag alles ändert. Berlin, Madrid, Portugal, New York sind die Schauplätze der Erzählungen. Ortega Cotos Schwule, Transen und Dragqueens sind Untaugliche Indianer – Helden, die keine sind. Das macht sie liebenswert und diesen Erzählband lesenswert.


Peter Rehberg in Siegessäule, Berlin, Oktober 2005

 
 

Spanien, zur Zeit General Francos – Vorstädte, Slums, Hitze, Staub, Erotik und Helden, die eigentlich tragisch sind – das sind die Ingredienzien von Ortega Cotos Geschichten, die einen sofort packen und nicht mehr loslassen. Man ist fast enttäuscht, dass es nur Kurzgeschichten sind – man würde die Helden noch eine Weile länger begleiten wollen – wunderbar.


Mario Reinthaler in XTRA!, Wien, März 2006

 
 

„Zwischen den Zeiten bewegen sich Ortega Cotos außergewöhnliche Helden, die er in sechzehn locker verknüpften Erzählungen dem Schicksal vorführt – ob im schwulenfeindlichen Franco-Spanien, in einer New Yorker Therapiesitzung oder nächstens auf einem Berliner U-Bahnhof. Lakonische Momentaufnahmen aus verwunschenen Welten.”


Egbert Hörmann in Männer Aktuell, November 2005

 
 

Oh Melodram, ihr zerzausten Stehaufmännchen aus Almodóvars Kintopp – keine schlechte Verwandschaft. Bei diesem Autor fließt vieles zusammen.


Michael Sollorz in Hinnerk, Hamburg, März 2006

 
 

Es gibt einen wunderbaren Geschichtenerzähler zu entdecken, einen Autor, der nur wenige Seiten braucht, um Menschen und Welten lebendig werden zu lassen. über Begegnungen, unfassbaren Erlebnissen und enttäuschten Erwartungen liegt oft ein Hauch von Latino-Melancholie.


Der Katalog der Schwulen Buchläden, Herbst 2005

 

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